KONZEPTION FÜR SCHULISCHE UMWELTERZIEHUNG

3 ZIELE DER UMWELTBILDUNG

3.1 GRUNDSÄTZLICHE ZIELE
3.2 KATALOG GRUNDSÄTZLICHER LERNZIELE

3.1 GRUNDSÄTZLICHE ZIELE

Eine Schule, die glaubwürdig das zukünftige Leben der Kinder und Jugendlichen im Auge hat, kann weder die ökologische Krise ignorieren noch deren Thematisierung in den naturwissenschaftlichen Unterricht oder auf einzelne Projekttage abdrängen. Umweltbildung, und besonders die schulische Umwelterziehung, die aufgrund der Schulpflicht alle Kinder und Jugendlichen erreicht, sollen einen Beitrag für einen verantwortungsbewußteren Umgang mit der Umwelt und den natürlichen Ressourcen der einen, eng verflochtenen Welt leisten.

Dies zu vermitteln ist sicherlich ein wesentliches Ziel schulischer Umweltbildung. Es gilt also einen Diskurs über Lebenssinn und Lebensweise in Gang zu bringen. Investitionen für die Bildung werden nötig sein, um ihn zu ermöglichen. Sie ersetzen jedoch nicht notwendige Maßnahmen vorsorgenden Umweltschutzes.

Am Wandel der Lebensweisen und der ihm vorausgehenden und begleitenden Debatte soll die Schule aktiv teilhaben. „Die Verantwortung der Pädagogen in der Gestaltung von Bildungsprozessen besteht unter anderem darin, von der emotionalen Betroffenheit zu einer kritischen Reflexion der Umweltkrise zu gelangen, die die pädagogische Entfaltung ökologischer Schlüsselkompetenzen und ökologisch orientierten Handelns ermöglicht, ohne daß damit allerdings ein vorgefertigtes Handlungsmuster festgelegt wird“. (Gutachten des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen, 1994 S. 165)

Der Beitrag der Umweltbildung für die Entfaltung von Umweltbewußtsein und handlungsleitenden Einstellungen ist vermittelnder Natur. Die Möglichkeit, einen bewußten Umgang mit den natürlichen Ressourcen durch die Schule zu initiieren, sind sicherlich begrenzt. Der Auftrag von Bildung im Kontext von Umweltbildung kann nur lauten: „Jeder Mensch muß in diesem Wandlungsprozeß seine eigene Handlungsposition finden. Wir können sie für ihn nicht bestimmen. Aber wir möchten einen Vorschlag machen, wie man seine Aufgabe erledigen sollte: bescheiden. Nicht mit unumstößlichem Plan, sondern als Experiment: das eigene Handeln zum Lernen benutzen“. (Meadows, Meadows, Randers: Die neuen Grenzen des Wachstums, 1992, S. 274)

Aus der Sozialpsychologie, von der Einstellungsforschung und von der Verbraucherberatung ist bekannt, daß eine Vielzahl innerer Ursachen das Verhalten des Einzelnen steuert. Um die Einstellungen und damit das Verhalten von Menschen zu ändern, muß Bereitschaft zum Wandel der Lebensstile geweckt werden.

Um dauerhaft das Verhalten von Menschen zu verändern, sind deren auf die Zukunft gerichteten Wünsche in ihrer Umweltrelevanz zu berücksichtigen. Das gleiche gilt für ihre Orientierungsgrößen, die Leitbilder. Der Mangel umweltgerechter und nachhaltiger Leitbilder in Politik und im Privaten wird oft beklagt.

In dem Ruf nach Leitbildern drückt sich der Versuch aus, umweltgerechtes und überdauerndes, nachhaltiges, Verhalten attraktiv zu machen. Der in ihrem Ermessensspielraum konzeptionell zunehmend eingeengten Politik sollen mit Leitbildern Entscheidungsspielräume aufgezeigt und eröffnet werden.

Für breite Verhaltensänderungen der Menschen bedarf es eines Konsenses, wohl aber auch gesetzlicher Regelungen. Im Vorfeld für deren Durchsetzung ist oftmals eine langwierige öffentliche - auch kontroverse - Auseinandersetzung nötig, um die dann auch notwendigen politischen Mehrheiten herzustellen. „Daher wäre es nicht angebracht, sich einen Wandel als das Ergebnis einer umfassenden, rational ins Werk gesetzten Strategie vorzustellen. ... Ein Wandel kommt vielmehr zustande, indem eine Vielzahl von Akteuren in den kleinen und großen Arenen der Gesellschaft andere Prioritäten schaffen. ... Insbesondere wäre es abwegig, sich einen Wandel allzu staatszentriert vorzustellen; ... sondern die Bürger ... werden gleichermaßen die Autoren einer ökologischen Wende sein. Wer zu sehr auf den staatlichen Steuermann nach dem Schema Probleme-Ziele-Instrumente-Wirkungen hin argumentiert, rückt oft unversehens die Bürger in die Rolle bloßer Anreizempfänger und vergißt ... das Interesse und auch den Stolz der Menschen.“ (BUND und Misereor: Zukunftsfähiges Deutschland, 1996, S. 151 f)

Das ist besonders gut an einer Reihe von gesetzlichen Regelungen für den privaten Gebrauch von Pkws und Motorrädern zu erkennen. Es sei an die fünfzehnjährige Debatte über die Anschnallpflicht erinnert, an das Tragen von Helmen für Motorradfahrer, an die Einführung von bleifreiem Benzin und an die des Katalysators.

Wenn die Bevölkerung oder Teile von ihr in der Sache hinreichend informiert wurden und sie an der Diskussion teilhaben oder sie verfolgen, ist eine Situation gegeben, in der einzelne beginnen, Gewissenskonflikte und Zwiespälte zu verspüren. Dies, sozialpsychologisch als Dissonanz bezeichnet, gibt Kraft für Wandel, manchmal ungewöhnlich schnellen. Die mühselige Diskussion zur Abfallvermeidung und die geringe Freiwilligkeit, damit von alleine zu beginnen, wurde von einer musterschülerhaften Eilfertigkeit abgelöst, an dem dualen System teilzunehmen, obgleich dessen Einführung ungewöhnlich umstritten war und ist.

Der wesentliche Beitrag der Umwelterziehung ist Vermittlung von Wissen und Sammeln von Erfahrungen über die Umweltproblematik. Damit ist eine Voraussetzung gegeben, am öffentlichen Diskurs für einen ökologischen Wandel der Lebensstile teilzuhaben und politische Reformbemühungen zur Stärkung des Umwelt- und Naturschutzes zu unterstützen.

Bildung ist so auch als Handlungsgrundlage für Teilhabe an Entscheidungen von der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992 gesehen worden: „Bildung ist eine unerläßliche Voraussetzung für die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung und die Verbesserung der Fähigkeit des Menschen, sich mit Umwelt- und Entwicklungsfragen auseinanderzusetzen ... für die Herbeiführung eines Bewußtseinswandels bei den Menschen, damit sie in der Lage sind, ihre Anliegen in bezug auf eine nachhaltige Entwicklung abzuschätzen und anzugehen. Sie (ist) auch von entscheidender Bedeutung für die Schaffung eines ökologischen und eines ethischen Bewußtseins sowie von Werten und Einstellungen, Fähigkeiten und Verhaltensweisen, die mit einer nachhaltigen Entwicklung vereinbar sind, sowie für eine wirksame Beteiligung der Öffentlichkeit an der Entscheidungsfindung.“ (Agenda 21, S. 261).

Aus dieser Perspektive ist Umweltbildung zugleich politische Bildung. Umweltpolitische Bildung nimmt teil an den Auseinandersetzungen zum Teil widersprüchlicher sozialer, ökonomischer und politischer Interessen. Teilhabe an diesen Auseinandersetzungen, Verständnis für die verschiedenen Interessenslagen und Suche nach gemeinsam getragenen Lösungen sind wesentliche Bestandteile politischer Bildung und eines Verständnisses des demokratischen Rechtsstaates und einer pluralistischen Gesellschaft.

Teilhabe an den öffentlichen Belangen beginnt bei Teilfragen der Regelung des Schullebens. Kontroversen in der Kommunalpolitik und Teilnahme an öffentlichen Beratungen, zum Beispiel Eingabe bei Bebauungsplänen, sind ebenso Bestandteile diskursorientierter Umweltbildung wie die Übernahme von Patenschaften für Biotope oder die Teilnahme an Rekultivierungsmaßnahmen.

Wesentliche ökologische Problemfelder sind sinnlich nicht wahrnehmbar; aus diesem Grunde gewinnt eine derartige Partizipation und Handlungsorientierung in der Umweltbildung besondere Bedeutung. Mit ihnen können Wege geöffnet werden, mehr Sensibilität zu entwickeln.

In den Schulen ist eine Vielzahl von Maßnahmen zu beobachten, den Abfall umweltfreundlich zu beseitigen. Wesentlich geringer ist jedoch das Bemühen, bereits abfallarm einzukaufen. Trotz der Fülle von abfallsortierenden und recycelnden Projekten findet man nur wenige, bei denen gesamtwirtschaftliche Fragen und deren rechtlicher Rahmen behandelt werden.

Fragestellungen, wie sie in den Enquête-Kommissionen des Deutschen Bundestages beraten werden, zum Beispiel zum Bereich der Stoffflüsse, einer „Effizienzrevolution“ des Umgangs mit Rohstoffen und Energie und der marktwirtschaftlich notwendigen Entwicklung kostenrealistischer (wahrer) Warenpreise, finden in der Schule kaum Niederschlag. Allzu oft werden mit dem Hinweis auf die Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit die derzeitigen Rahmenbedingungen des Marktes samt der Lehre der öffentlichen Güter akzeptiert, nach denen die Umwelt als Gemeineigentum kostenfrei genutzt werden darf. Dem ist in allen allgemeinbildenden Einrichtungen entgegenzuwirken. Zudem wird die berufliche Ausbildung von der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung als „eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Entwicklung der menschlichen Ressourcen und für die Erleichterung des Überganges in eine nachhaltige Welt“ gesehen. (Agenda 21, S. 265)

Neben den grundsätzlichen Zielen der Teilnahme (Partizipation), der Möglichkeit der Mitbestimmung und Mitgestaltung in der Lebens- und Arbeitswelt, und des Diskurses, des Fragens, Streitens und Suchens nach Lebenssinn und Gestaltung der Lebensweise, sind weitere allgemeine und politische Ziele in der Umweltbildung zu verfolgen. Ein ganz wesentliches ist dabei die Erkenntnis der sozialen Ungleichheiten auf der Erde und des Zusammenhangs der Beseitigung von Armut und Umweltzerstörung.

Vorsorgender Umweltschutz und nachhaltiges Wirtschaften sind gleichermaßen Bestandteile eines Generationenvertrages, bei dem wir Vorsorge für die nachkommenden Generationen treffen. Dies ist die ethische Dimension der Umweltbildung. Im sozialen Verständigungsprozeß werden moralische Maßstäbe zu entwickeln sein. Verantwortungsethik, die auf Verständigung beruht und nicht Gesinnung zur ihrer Maxime erklärt, ist gefordert. Verständigung setzt Toleranz voraus, auch abweichendes Verhalten und andere Maßstäbe zu akzeptieren. Die Güterabwägung zwischen verschiedenen Verhaltensweisen wird bei den einzelnen Menschen unterschiedlich ausfallen, selbst dann, wenn sie einem Rechtfertigungsdruck ausgesetzt sind.

Umweltbildung ist also gleichermaßen allgemein- wie auch persönlichkeitsbildend. Sie setzt bei den Schülern wie auch bei den Lehrern die Fähigkeit voraus, Probleme und Entwicklungen sensibel und verständnisvoll wahrzunehmen. Zusammenhänge sind in ihren wechselseitigen Verflechtungen zu erkennen. Kommunikations- und Kooperationsbereitschaft werden für vernunftgeleitete Urteile, verantwortungsvolle Entscheidungen und für selbständiges und solidarisches Handeln benötigt.

Erfolg schulischer Umwelterziehung in ihren politischen und ethischen Dimensionen wird sehr stark davon abhängig sein, wie sehr die Schule als Institution selber glaubwürdig auftritt. Die Schule als ökologischer Lernort ist sicherlich nicht der Hebel für den ökologischen Wandel der Gesellschaft, wohl aber die Voraussetzung für eine überzeugende Umwelterziehung.

3.2 KATALOG GRUNDSÄTZLICHER LERNZIELE


Umweltbildung HH - 25/11/96